Brigitte Thaler
empfiehlt:
von Pierre Lemaître
Von Anfang an wissen wir, dass der 12-jährige Antoine im Streit den 6-jährigen Nachbarsjungen Remi erschlagen hat. Aber das große Rätsel bleibt bis zum Schluss, ob er auch entdeckt wird. Und gerade das macht die wahnsinnige Spannung dieses Romans aus. Was Antoine alles unternimmt, um seine Schuld zu verbergen, das Zittern, Weinen, Bangen und die schlaflosen Nächte – gekonnt erzählt von Pierre Lemaitre.
cosmea
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von Pierre Lemaître
Die Handlung von Pierre Lemaitres neuem Roman “Drei Tage und ein Leben“ spielt 1999 kurz vor Weihnachten in Beauval, einem kleinen Ort in der Provinz. Der 12jährige Antoine lebt bei seiner Mutter. Der Vater hat die Familie verlassen. Odysseus, der Hund des Nachbarn Desmedt, ist ihm das Liebste auf der Welt. Mit ihm und dem 6jährigen Rémi Desmedt, verbringt er seine Tage im Wald, wo er ein Baumhaus baut. Eines Tages erschießt der Nachbar den von einem flüchtigen Autofahrer verletzten Hund, statt ihn zum Tierarzt zu bringen. In unkontrollierbarer Wut zerstört Antoine das geliebte Baumhaus und erschlägt den kleinen Rémi mit einem Ast. Anschließend versteckt er die Leiche im Wald und spricht mit niemand über das, was passiert ist. Zwei Tage lang rechnet er jeden Augenblick mit der Entdeckung der Leiche und seiner Verhaftung, aber schwere Stürme verwüsten die Region, und die Suche nach dem verschwundenen Kind hat nicht mehr oberste Priorität. Für Antoine ist von einem Augenblick zum andern nichts mehr, wie es war. Er wird seine Ängste und Schuldgefühle nie mehr los, versucht aber dennoch, ein halbwegs normales Leben zu führen. Er weiß so gut wie der Leser, dass er seiner Strafe nicht entgehen wird, aber bis zur überraschenden Auflösung es ein weiter Weg.
Der Roman ist sehr packend. Es ist kein Whodunit – der Täter und die Umstände der Tat sind von vornherein bekannt. Es ist auch kein Krimi, denn es geht nicht um die Erforschung der Vorgeschichte eines Verbrechens. Lemaitre hat einen düsteren Roman, einen “roman noir“ geschrieben, in dem er fragt, was nach einer solchen Tat geschieht. Wie lebt man mit dieser Schuld? Kann es danach noch Normalität geben? Goncourt-Preisträger Lemaitre erzählt eine Geschichte, die berührt und beeindruckt. Ein sehr empfehlenswertes Buch.
yellowdog
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von Pierre Lemaître
Drei Tage und ein Leben ist ein sehr interessanter und lesenswerter Roman, aber auch nicht ganz einfach zu verdauen. Pierre Lemaitre hat einen stark psychologischen Ansatz. Schon das Cover deutet an, dass es hier um die seelischen Qualen eines Kindes geht. Der Junge hat einen anderen getötet, aber eigentlich war es mehr ein Unfall. Aus Angst vertuschte Antoine die Tat. Das wird ihn ein Leben lang belasten.
Die Geschichte spielt sich in der französischen Provinz ab.
Da das Buch schmal und handlungsarm ist, möchte ich hier lieber nicht zu viel verraten.
Eine traurige Geschichte, nicht einfach zu ertragen, aber es ist doch gut, dass dieses schwierige Thema so ausgefeilt vorliegt.
Als reißerischer Thriller hätte das nicht funktioniert.
Der Roman wurde dank des feinfühligen Stils des Autors ebenso intensiv und interessant.
begine
empfiehlt:
von Pierre Lemaître
Der Autor Pierre Lemaitre hat einen guten, fesselnden und direkten Schreibstil. Das Cover zeigt die verzweifelte Pose eines ängstlichen Jungen.
Der Roman spielt in einem kleinen französischen Ort.
Es wird erst schön erzählt wie Antoine seine Zeit verbringt. Wie er seine Hütte im Baum baut und sogar für den Nachbarhund Odysseus eine Möglichkeit findet, ihn wie mit einer Seilbahn hoch zu bekommen.
Dann wird der Hund angefahren und der Nachbar erschießt ihn vor Antoines Augen, das ist ein Schock.
Damit beginnt jetzt ein Drama.
Aber das er Reni erschlägt, das hätte ich nicht gedacht.
Na gut, umbringen wollte er ihn nicht, es war ein tragischer Unglücksfall, ein Fehler, das er es vertuschen wollte.
Der Autor trifft jetzt perfekt den Zwiespalt, in dem der Junge steckt, eingefangen.
Der Roman dreht sich um die Ängste die er erlebt. Ein Alptraum in dem er jetzt leben muss. Allerdings fühle ich am meisten mit der Ungewissheit und Angst der Eltern, die eigentlich auch allein und ohne Trost dastehen.
Der Autor zeigt wie ein Ort mit so einem Problem umzugehen versucht und wie es 12 Jahre später dort aussieht und was aus Antoine geworden ist,
Der Roman lässt mich nachdenklich zurück.
Alexander Kornell
empfiehlt:
von Pierre Lemaître
Der kleine Rémi Desmedt wird vermisst und fast alle Einwohner des kleinen Ortes Beauval sind auf der Suche. Der zwölfjährige Antoine beteiligt sich nicht an der Suche. Er sitzt verzweifelt und panisch zu Hause – denn er hat Rémi umgebracht und die Leiche versteckt.
Am dritten Tag der Suche bricht eine schwere Unwetterkatastrophe über die Gegend von Beauval herein und die Ermittlungen geraten ins Stocken. Für Antoine sind es drei Tage, die sein Leben für immer verändern…
Packender als jeder Thriller ist dieses Psychogramm eines jungen Menschen, den die Frage nach Schuld und Vergebung bis ins Erwachsenenalter verfolgt.
Sehr empfohlen!
SLovesBooks
empfiehlt:
von Pierre Lemaître
Meine Meinung:
Mich hat dieses Buch begeistert, berührt und erschreckt zugleich. Es zeigt erstaunlich scharf, wie ein Leben ab einem gewissen Punkt in eine ganz andere und unvorhergesehen Richtung laufen kann und wie ein Fehler das ganze weitere Leben beeinträchtigen kann.
Die Frage nach Schuld uns Sühne ist wohl etwas Urmenschliches. Lemaitre nimmt sich dieser Frage in seinem Roman an. Wir begleiten einen Protagonisten, mit dem man über das ganze Buch hinweg nicht warm wird. Dabei wird in drei unterschiedlichen Zeiten seines Lebens erzählt, was immer wieder unterschiedliche Fragen und Antworten gerade in Bezug auf das Thema Schuld aufwirft. Obwohl unnahbar, berührt einen das Schicksal des einstigen Jungen und lässt mich als Leser auch nicht so schnell los. Dieses Buch hat mich noch viele Stunden nachdem ich es beendet hatte noch beschäftigt.
Der Schreibstil ist sehr gelungen. Man liest hier ein anspruchsvolles Buch, was man auch an der Sprache bemerkt. Lemaitre setzt durch seine ausgefeilte Sprache immer wieder Akzente. Das Spiel von Nähe und Distanz beherrscht er par excellence. Es war angenehm zu lesen und auch mit seinen etwas über 200 Seiten nicht zu dick.
Es gab viele sehr spannende Passagen. Aber auch emotional starke Szenen sind vielfach vertreten.
Insgesamt handelt es sich um ein herausragendes Buch, das mich zum Nachdenken angeregt hat. Ich kann es sehr empfehlen.
von Pierre Lemaître
Mit „Wir sehen uns dort oben“ konnte Pierre Lemaître den renommierten Prix Goncourt 2013 gewinnen. Eine Auszeichnung, die, zumindest in Frankreich, wesentlich wichtiger ist als beispielsweise der Nobelpreis. Jetzt hat er wieder ein Buch veröffentlicht und wer eine phantastische und großartige Geschichte wie die von Albert und Edouard erwartet, der wird möglicherweise enttäuscht sein. „Drei Tage und ein Leben“ ist ganz anders!
Im Zentrum dieses Dramas steht Antoine, der gerade mal 12 Jahre alt ist und in einem Anfall von Jähzorn den 6jährigen Rémi erschlägt. Völlig panisch versteckt er dann den kleinen Leichnam. Ein Jahrhundertsturm verhindert die Entdeckung Rémis und somit entkommt Antoine dem Gefängnis. Aber er entkommt nicht seinem Gewissen, seinem inneren Gefängnis.
Der Leser begleitet Antoine in drei verschiedenen Phasen seines Lebens: erst 1999 (Zeitpunkt der Tat), später noch 2011 und 2015. Wir erleben seine Verzweiflung, seine Verwirrung, seine Ängste und auch seine Versuche, den Mord und die folgenden Handlungen vor sich selber zu rechtfertigen. Er lebt fortan in einer Grauzone zwischen Schuld und Unschuld, individueller und kollektiver Verantwortung, denn natürlich beeinflusst ihn auch seine Umwelt. Eine Umwelt, die nur zu leicht und zu gerne den Außenseiter als Schuldigen sehen möchte, die alles unternimmt um den gesellschaftlichen Normen zu entsprechen.
Sensibel und psychologisch zumindest meistens schlüssig (psychologisch bedeutet ja nicht zwingend logisch) beschreibt der Autor Antoines Leben, seine Einsamkeit und Hilflosigkeit inmitten dieser dörflichen Gesellschaft. Seine Fluchtversuche scheitern kläglich – wer kann schon vor sich selber flüchten? Er erlebt über Jahre hinweg ein Gefühlschaos, das durchaus auf den Leser übertragen wird. Ist Antoine ein Mörder? Oder doch unschuldig? Aber Rémi ist tot – unwiderruflich. Und was ist schlimmer? Die Tat oder die Angst vor der Entdeckung und der daraus resultierenden Bloßstellung? Antoine ist ja erst 12. Schuldig? Unschuldig? Oder…?
Lemaître verurteilt nicht, er urteilt nicht einmal, er beschreibt einfach. Sein Stil ist gewohnt eloquent, klar und ein wenig distanziert, manchmal entlarvend, immer treffsicher und vor allem fesselnd. Der Leser wird zum Beobachter, Begleiter Antoines in allen drei Abschnitten. Der Leser wird zum Zeugen, ein Urteil bleibt ihm überlassen. Der Autor entlässt uns dann auch ohne wirklichen Abschluss, aber mit einer Überraschung, die alles noch einmal auf den Kopf stellt oder stellen könnte.
Fazit: Wie schon zu Beginn erwähnt: es ist keine phantastische Geschichte, vor allem ist es kein gefälliges Buch, aber es ist ein berührendes und verstörendes Drama, das mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Ein ungewöhnliches Buch, das nachhallt - man sollte sich darauf einlassen!
Leseempfehlung!