Nationalsozialistischer Märtyrerkult

Nationalsozialistischer Märtyrerkult

von Sarah Thieme

€ 46,60

Taschenbuch

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Sakralisierte Politik und Christentum im westfälischen Ruhrgebiet (1929-1939). Dissertationsschrift
2017 Campus Verlag
546 Seiten
213 mm x 141 mm
Sprache: Deutsch
978-3-593-50808-5

Inhaltsverzeichnis

InhaltDank9I. Einleitung131.Nationalsozialismus als rituelle Praxis:Zu den Forschungskontexten dieser Arbeit182.Theoretische Überlegungen: Sakralisierte Politik der NS-Bewegung353.Operationalisierung 503.1Die Perspektive der Regionalstudie543.2Mythen und Sakralisierung593.3Nationalsozialistische Glaubenspraxis des Märtyrerkultes613.4Christliche Sakralinteraktionen67II.Nationalsozialismus im westfälischen Ruhrgebiet:Zur Untersuchungsregion731.Das Ruhrgebiet: Abgrenzungen und Einordnungen732.Die NS-Bewegung im westfälischen Ruhrgebiet822.1Die NS-Bewegung im Gau Westfalen-Süd892.2Die NS-Bewegung im Gau Westfalen-Nord932.3Zur Entwicklung nach der NS-"Machtergreifung"97III.Märtyrermythen: Glaubenszeugnis, Kampfappell und Nostalgie1011.Nationalsozialistische Märtyrermythen1041.1Heldische Straßenkämpfer der NS-Bewegung1051.2Sondertypen: Erweiterte Integrationsfiguren1212.Mythische Konstruktionen des NS-Martyriums1303.Zwischen Reichsleitung und westfälischer Peripherie:Zur Kanonisierung der "Blutopfer der Bewegung"1534.Märtyrermythen seit 1933: Zwischen Transformation undnostalgischer Vergangenheitsvergegenwärtigung1635.NS-Märtyrer im Bild188Zwischenfazit: NS-Märtyrerfiguren199IV. Nationalsozialistische Glaubenspraxis des Märtyrerkultes2021."Über Gräber vorwärts!": Zum Umgang mit Tod und Trauer beiden Beisetzungsfeierlichkeiten2032.Sakrale Orte des NS-Märtyrerkultes2292.1NS-Märtyrergräber als sakrale Orte2302.2Sakralisierung der Tat-Orte der NS-Martyrien2402.3Sakrale Orte des Ludwig Knickmann2503.Gedenkfeiern des NS-Märtyrerkultes2624.Der 9. November als "Tag der Gefallenen der Bewegung"2915.Märtyrergedenken als Veteranentreffen313Zwischenfazit: Nationalsozialistische Sakralsphäre332V. Sakralinteraktionen: Christliche Sakralisierungim NS-Märtyrerkult3361.Sakralinteraktionen bei kirchlichen Beisetzungen3371.1Kirchlich-institutionelle Normen und Richtlinien3391.2Kirchliche Beisetzungen als rituelle Sakralinteraktionen3462.Christliche Sakralisierung der Toten: Die Inhalte3752.1Kirchenlieder3752.2Biblische Sakralisierungen3802.3Handlungsspielräume der beteiligten Pfarrer in den Predigten3873.Christliche Sakralinteraktionen jenseits der Beisetzungen4143.1Geistliche als Gedenkredner anlässlich des 9. November4143.2Feldgottesdienste: Kirchlich-liturgische Heilsvergewisserungder NS-Bewegung4253.3Nationalsozialismus und Altkatholiken:Ein Bottroper Sonderfall4424.Christliche Sakralinteraktionen durch NS-Funktionsträger4474.1Ambige, sakralinteraktive Deutungen4494.2Sakralinteraktive Symbolik471Zwischenfazit: Christliche Sakralinteraktionen zwischen Ambiguitätstoleranz und Symbiosen482VI. Fazit487NS-Märtyrerfiguren: Lebensläufe495Abkürzungsverzeichnis507Quellen und Literatur509

Besprechung

»Sarah Thieme weist auf überzeugende Weise nach, dass die NS-Bewegung auf christliche Rituale, Akteure und Inhalte zurückgriff, um ihre eigenen Märtyrer zu propagieren und anschlussfähig an religiöse Milieus zu machen.« Jens Gründler, Westfälische Forschungen, 23.11.2020

Kurztext / Annotation

Das Ruhrgebiet war für die Nationalsozialisten in den Jahren vor 1933 ein schwieriges Terrain. Um den zahlreichen Toten in den Auseinandersetzungen mit den Kommunisten scheinbar Sinn zu verleihen, wurden jene zu Märtyrern gemacht. Sarah Thieme zeigt eindrücklich auf, wie sich die regionale NS-Bewegung im Märtyrerkult als eigenständiger Glaubensanbieter positionierte und die Aktivisten mit Formen "sakralisierter Politik" ansprach. Zugleich belegt die Studie, dass die NS-Bewegung im Ruhrgebiet christlich geprägt blieb.

Religion und Moderne: Herausgegeben von Thomas Großbölting, Detlef Pollack, Barbara Stollberg- Rilinger und Ulrich Willems im Auftrag des Centrums für Religion und Moderne

Langtext

Das Ruhrgebiet war für die Nationalsozialisten in den Jahren vor 1933 ein schwieriges Terrain. Um den zahlreichen Toten in den Auseinandersetzungen mit den Kommunisten scheinbar Sinn zu verleihen, wurden jene zu Märtyrern gemacht. Sarah Thieme zeigt eindrücklich auf, wie sich die regionale NS-Bewegung im Märtyrerkult als eigenständiger Glaubensanbieter positionierte und die Aktivisten mit Formen "sakralisierter Politik" ansprach. Zugleich belegt die Studie, dass die NS-Bewegung im Ruhrgebiet christlich geprägt blieb.Religion und Moderne: Herausgegeben von Thomas Großbölting, Detlef Pollack, Barbara Stollberg- Rilinger und Ulrich Willems im Auftrag des Centrums für Religion und Moderne


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Taschenbuch
Sakralisierte Politik und Christentum im westfälischen Ruhrgebiet (1929-1939). Dissertationsschrift
2017 Campus Verlag
546 Seiten
213 mm x 141 mm
Sprache: Deutsch
978-3-593-50808-5


Weitere verfügbare Ausgaben:

Textauszug

I.Einleitung"Man kann den moralischen Wert einer Idee, einer Bewegung, messen an der Art, wie sie ihre Märtyrer ehrt, und die Anteilnahme von Fernstehenden ist der spre-chendste Beweis für die Resonanz, die diese Idee im Volke hat."Mit diesem Satz leitete die nationalsozialistische National-Zeitung ihren Be-richt über die Beisetzung des verstorbenen SA-Mannes Wilhelm Sengotta aus Dortmund-Wickede im Februar 1932 ein. Der 21-jährige Schlosser hatte sich gemeinsam mit einigen Sturmkameraden auf dem Heimweg von seinem SA-Dienst befunden, als sie in einen kommunistischen Hinterhalt gerieten. Dabei sei Sengotta erschossen worden. Das vorangestellte Zitat verweist auf die hohe Bedeutung, die die lokale NS-Bewegung in Dortmund der von ihr praktizierten Märtyrerverehrung zusprach: Erst wenn diese, wie im Falle des verstorbenen Sengotta, gelang, wurde der hohe "moralische Wert" der eigenen Weltanschauung sichtbar, für die sich der Tote vermeintlich geopfert hatte. Die 'gelungene' Märtyrerverehrung umfasste in Wickede eine groß inszenierte Aufbahrung und Beisetzungsfeier unter Beteiligung eines evangelischen Geistlichen mit etwa 3.000 Teilnehmern. Überdies wurde der SA-Sturm 7/I/98 dem Namen des Verstorbenen geweiht. Außerdem wurde in den Jahren nach der sogenannten NS-"Machtergreifung" eine Dortmunder Straße nach ihm benannt, ein Gedenkstein am vermeintlichen Tatort errichtet und eingeweiht sowie jährlich wiederkehrende Gedenkfeiern an seinem Todestag gefeiert.Diese nationalsozialistische Selbstbeschreibung ist Ausgangspunkt für die vorliegende Studie, die den nationalsozialistischen Märtyrerkult analy-siert. Unter einem Kult ist die "Gesamtheit religiöser Praxis im Umgang mit 'spirituellen' oder mit besonderen Zuschreibungen versehenen We-sen" sowie Verehrungshandlungen gegenüber Menschen mit "numinosen Qualitäten" zu verstehen. Wesentliche Bestandteile eines Kultes sind nach der Religionswissenschaftlerin Dorothea Baudy folgende: Mythenerzäh-lungen und -inszenierungen sowie alle Formen religiösen Verhaltens, ins-besondere Rituale, deren Ausübung häufig an heilige Stätten und heilige Zeiten gebunden ist. "Im Kultakt konstituieren sich die Teilnehmer als zusammengehörige, aber hierarchisch differenzierte Gemeinde." In ihren (auch sprachlichen) Handlungen entwerfen sie "die Vorstellungen, die sie sich vom Adressaten ihres Kultes [...] machen". Émile Durkheim hält pointiert fest, dass ein Kult aus Überzeugungen und Ritualen besteht. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich folglich mit der posthumen mythischen Konstruktion von SA- und SS-Männern als "Märtyrer der Bewegung" und deren praktischer Verehrung durch kultische Handlungen sowie die eingesetzten Sakralisierungsstrategien durch die nationalsozialistische Bewegung in den Jahren 1929-1939.Ziel der Untersuchung ist es, einen religionsgeschichtlichen Beitrag zur Charakterisierung regionaler NS-Bewegungen zu leisten. Gefragt wird nach der Erzeugung von spezifischem commitment , das heißt der besonde-ren Hingabe, der hohen Motivation und Begeisterungsfähigkeit ihrer Akti-visten. Spezifische Bedeutung wächst dem commitment der Akteure sozialer Bewegung zu, da jene "keine anderen Ressourcen [besitzen] um ihre Akteure langfristig an sich zu binden, und zu motivieren, als das zu tun, was die Individuen und Einzelgruppen in der Bewegung wünschen und wollen. Deren Engagement müssen sie über inneres commitment erlangen." Um den freiwilligen Einsatz ihrer Anhänger, der das entscheidende Kapitel sozialer Bewegungen darstellt, zu produzieren und zu erhalten, wird in der Handlungspraxis sozialer Bewegungen, laut Dieter Rucht und Friedhelm Neidhardt, commitment verlangt und bekräftigt. Zudem werden Motive und Interessen der Akteure eingebunden. Dementsprechend beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit Motivationen, kollektiven Identitätsstiftungsangeboten und der Integration der nationalsozialistischen Bewegungsmitglieder. Zentrale Ausgangsüberlegung ist dabei, dass sakrale Elemente

Autor

Sarah Thieme, Dr. phil., ist Geschäftsführerin des Forschungsbeirates der Universität Münster.