Die Fahnen, 5 Bde.

Die Fahnen, 5 Bde.

von Miroslav Krleza

€ 75,00

Hardcover

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Roman in fünf Bänden
2016 Wieser
2170 Seiten
222 mm x 182 mm
Sprache: Deutsch
978-3-99029-201-3

Langtext

Ein Jahrhundert vor unserem literarischen Auge. Das epochale Werk des Meisters der Erzählung Südosteuropas liegt nun endlich in einer mustergültigen, gewissenhaften Übersetzung von Gero Fischer und Silvija Hinzmann vor. Die Fahnen zeigen ein Kaleidoskop der europäischen Geistes- und Kulturgeschichte, das Krleza zu einem großen europäischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts macht.Ina Jun-Broda rief mich 1978 zu sich. Sie redete auf mich ein: "Die Fahnen, die müssen Sie verlegen." Ich, jung, unerfahren, wurde von der Dicke des Romans fast erschlagen. Fünf Bände, 3000 Seiten. Mein verlegerisches Leben hatte erst begonnen.1979 erzählte mir Ina Jun-Broda, die legendäre Übersetzerin aus den jugoslawischen Sprachen, von ihrem Gespräch mit Miroslav Krleza: "Für eine deutschsprachige Übersetzung kürze ich Ihnen Die Fahnen ein. Auf 800 Seiten. Weniger geht nicht. Und Sie übersetzen das!"Krleza stirbt Ende 1981, Ina folgt bald danach (August 1983).Krieg und Frieden. Europa zerfällt. Zwischen Wien und Zagreb, Budapest und Belgrad - quer durch Musils Kakanien. Die letzten Tage der Menschheit brechen an. Züge rasen hin und her. Politik, Wirtschaft, Regierungen, Beziehungen und Familien zerbrechen.In seinem umfangreichsten Werk, dem ab 1962 veröffentlichten fünfbändigen Roman Die Fahnen (Zastave), der in den Jahren 1912 bis 1922 spielt und jetzt erstmals in einer deutschen Übersetzung vorliegt, zeichnet Krleza ein Panorama von der geistesgeschichtlichen und politischen Situation Europas zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das Schicksal von Bürgern, Aristokraten, Politikern, Ministern, Bürokraten, Generälen, Kriegsgewinnlern und Träumern, die ganze Galerie der ungarischen, kroatischen und serbischen Intelligenz - steht im Vordergrund dieser Chronik. Kriegsereignisse und Liebesbeziehungen werden miteinander verwoben.


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Hardcover
Roman in fünf Bänden
2016 Wieser
2170 Seiten
222 mm x 182 mm
Sprache: Deutsch
Übersetzt von: Gero Fischer; Silvija Hinzmann
978-3-99029-201-3


Weitere verfügbare Ausgaben:

Textauszug

Der Zagreber Schnellzug glitt elegant und auf die Sekunde genau um neun Uhr und siebzehn Minuten unter das Glasdach des Ostbahnhofs. Mit Regenmantel und Schirm über dem linken Unterarm stand de Emericzi am Fenster seines Abteils und suchte mit unstetem Blick im lauten und aufgeregten Gewühl der Wartenden, die sich lachend und nach Reisenden rufend im Spalier auf dem Bahnsteig wie ein fröhliches Empfangskomitee drängten, ob er die schlanke Erscheinung seines Sohnes erblicken würde, aber er konnte ihn einfach nirgends entdecken. Auf der anderen Seite der Schienen bewegte sich in Gegenrichtung der Schnellzug nach Arad, und auch da verabschiedete sich die Menge der Reisenden schreiend von ihren Bekannten auf dem Bahnsteig, in immer schnellerer Bewegung des magnesiumweißen Lichtes der hell erleuchteten Waggons, aber vom jungen Herrn keine Spur. Sich durch die lärmende Helligkeit zwängend, in der nervösen Menge das ihm trotz allem liebe Antlitz suchend, tröstete sich Durchlaucht damit, dass der Esel wie üblich in der letzten Minute angekommen sein wird, aber auch am Ausgang war Kamilo nicht. Resigniert stieg er die Treppe von der Bahnhofsterrasse hinunter, auf der Suche nach einem flinken Kofferträger, der sich beeilte, einen Fiaker zu ergattern, konnte sich Durchlaucht, immer noch unter dem Eindruck, dass sein Sohn ihn nicht abgeholt hatte, nicht orientieren: Wie ist das nur möglich, wo ihn die Kamráths zweifellos von seiner Ankunft am heutigen Abend informiert haben, und er hat Reviczky ausdrücklich gebeten, es nicht zu vergessen, und selbst wenn die Kamráths abgereist sein sollten, Reviczky hätte es auch ohne sie getan, kein Zweifel, der Junge ist verschwunden.

Unendlich lange und zermürbend langweilig dauerte die Fahrt mit zwei müden Stuten über den Boulevard und die Donau auf die andere Seite, nach Budim, zum kleinen Hotel "Fiume", dem Pester pied-à-terre der de Emericzi, einem diskreten, stillen Haus nahe am Ufer, und als ihn der Direktor wie einen alten und lieben Gast empfing, Durchlaucht war quasi noch nicht aus der Kutsche gestiegen, da überreichten sie ihm schon Kamráths Brief und eine genauso wichtige Telefonnotiz, dass er sich unverzüglich bei Durchlaucht Újlaky zu melden habe.

Durchlaucht Reviczky begrüßte seinen alten Freund im Namen des Grafen Premier, der die edle, geradezu generöse Absicht hatte, ihn noch am Abend zu empfangen, aber er sei leider wegen einer Kurierdepesche aus Wien plötzlich verhindert, in Prag habe sich die Situation zugespitzt, es gebe keine andere Option als ein Kommissariat mit Schönbrunn, und vom Balkan kämen alarmierende Meldungen, die Bulgaren hätten die serbische Armee zerschlagen, und so bleibe das mit dem Grafen vereinbarte Gespräch für morgen um neun fixiert, wie bereits gesagt, und Reviczky bitte ihn, falls er Zeit habe, sich mit ihm in der "Ungarischen Krone" zu treffen, nach gutem altem Brauch, denn schließlich, wenn es keinen traditionellen Sinn für die Wahrung guter alter Sitten und Bräuche gäbe, wäre dieses Land schon längst beim Teufel. Der Brief des alten Hofrats Kamráth war im Grunde eine Art sentimentalen Klageliedes über Kamilo und seine hoffnungslos unorganisierte weltliche Erscheinung, die trotz allem so attraktiv ist, dass es Kamráth einfach nicht gelingt, sich dem Charme des jungen Emericki zu entziehen, den er nicht mehr lieben könnte, selbst wenn er sein eigener Sohn wäre.

Als rédacteur en chef des Madzarsko slovo 21 konnte sich der alte Kamráth, schon von Berufs wegen zu aller Art von übertriebenem Aufbauschen von Kleinigkeiten neigend, nie kurz fassen, und seine Episteln waren von Anfang an eher sperrige Dissertationen, aber "da er sich hingesetzt hat, um seinem alten Freund zu schreiben, dass es ihm einfach technisch nicht gelungen sei, Kamilo von der Ankunft seines Vaters zu informieren, und zwar deshalb, weil Kamilo gestern Abend mit seiner Gönnerin, um nicht zu sagen Freundin,

Autor

Silvija Hinzmann, geb. 1956 in Cakovec/Kroatien, kam als Kind nach Deutschland, als freie Übersetzerin und Dolmetscherin hat sie auch mit echten Kriminalfällen zu tun, Autorin zahlreicher Kurzkrimis, Mitautorin eines Kriminalromans sowie Herausgeberin von Anthologien. Gero Fischer, geb. 1939 in Hagen, Besuch eines humanistischen Gymnasiums, Studium der Germanistik und Romanistik. 25 Jahre Forschung und Entwicklung bei einem industriellen Großunternehmen, automatische Lexikografie, Datenbanksysteme, künstliche Intelligenz. Studien- und Forschungsaufenthalt in den USA an der Carnegie-Mellon-Universität in Pittsburgh und an einer Forschungseinrichtung in Princeton. Studium der Slawistik.